Ortsteil Heiligenwald
Heiligenwald ist der jüngste Gemeindebezirk der aus der Verwaltungsreform von 1974 hervorgegangenen heutigen Gemeinde Schiffweiler. Erste Siedler – Besenbinder, Korbmacher, Lehmgräber, Ziegler, Steinbrecher und Kohleschürfer (Köhler) – hatten sich bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts auf dem westlichen bewaldeten Distrikt der Muttergemeinde Schiffweiler niedergelassen. Nachdem im angrenzenden Herrschaftsbereich der Illinger Freiherren von Kerpen reiche Kohlenvorräte gefunden wurden, ließen sich dort immer mehr Familien nieder. Sie hatten in den in ihrer Gesamtheit als „Grube Illingen“ bezeichneten Kohlenlöchern (Pingen) und auf der 1750 in der westlichen Randlage der heutigen Ortsgrenze entstandenen Rußhütte Beschäftigung gefunden. 1850 musste Letztere wegen Absatzschwierigkeit den Betrieb einstellen. Die ansässigen mehr als fünfzig Familien mit etwa 300 Familienmitgliedern wurden in den nahen Heiligenwalder Distrikt umgesiedelt. Die Rußhütter Ansiedlung gilt als „Keimzelle“ des Ortes. Ihre erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1754 wird als Gründungsjahr von Heiligenwald angesehen. Der im Rußhütter Tal weiter östlich gelegene Grubenbereich wurde von der Illinger Herrschaft verpachtete und die Kohlengräberei intensiv weiter betrieben.
Nach Übernahme des Saarbrücker (und Ottweiler) Landes durch die Preußen im Jahre 1816 begann die systematische Vorbereitung zur industriellen Ausbeutung der saarländischen Kohlenvorräte. Erste Maßnahmen waren die Stillegung der kleineren „Gruben“ und das Auffahren von Stollen zur „Rekognoszierung“ neuer Flöze sowie bald darauf der Beginn des Tiefbaus. Unter diesen Voraussetzungen beginnt unter preußischer Herrschaft auch in unserer Gegend die Phase der industriellen Kohleförderung, im Jahre 1846 in Reden und ein Jahr später im Rußhüttertal (Itzenplitz). Da im lokalen Bereich nicht genügend Arbeitskräfte zu Verfügung standen, warb die Preußische Grubenverwaltung um Mitarbeiter im weiteren ländlichen Umfeld und wurde fündig in den Bauerndörfern des nördlichen Saarlandes. Zunächst als „Wanderarbeiter“ beschäftigt, logierten sie wochentags in zum größten Teil von der Grubenverwaltung errichteten oder in privaten „Schlafhäusern“. Sie wechselten wöchentlich „zu Fuß“ zwischen Arbeitsplatz und ihren 20 bis 30 km entfernten Heimatorten. Es waren die legendären „Hartfießer“ oder „Ranzenmänner“. Daneben bemühten sich spezielle „Einwerber“ der Grubenverwaltung auch in ferneren Landesteilen und sogar im Ausland, zum Beispiel in Österreich und Böhme um geeignete Arbeitskräfte.
Gleichzeitig begann auf den zur den Gemeinden Schiffweiler und Landsweiler gehörenden Fluren am kleinen und am großen Heiligenwald die Vorbereitung zur Ansiedlung dieser Neu-Bergleute. Ihnen wurden von der Grubenverwaltung und der Saarknappschaft finanzielle Hilfe für Grundstückserwerb und Wohnhausbau(Prämienhäuser) angeboten. Durch die Bemühungen des damaligen Direktors des königlichen Bergamtes Leopold Sello war so die erste Bergarbeitersiedlung mit 110 Baustellen am „kleinen Helgenwald“ entstanden. Bereits nach wenigen Jahren war die Zahl der hier sesshaft Gewordenen auf mehr als 1300 Personen gestiegen. Bis zum Beginn des ersten Weltkrieges entstanden weitere Siedlungsgebiete in der oberen Kaiserstraße bis zur Ortsgrenze zu Landsweiler (1900-1905) und in Großheiligenwald sowie die Bergarbeitersiedlung Margaretenstraße (1902) und Sonnenberg (1912). Bereits 1867 waren vier Doppelhäuser in den Akazien und vier weitere in der oberen Itzenplitzstraße für Grubenbeamte erbaut werden.
Die Innerortsstruktur erfuhr nach und nach Verbesserungen: 1894 wurden die ersten Wasserleitungen gelegt, die die bisherigen Ziehbrunnen überflüssig machten und 1899 erhielten die Wohnhäuser Leuchtgas, das die Petroleumlampen ersetzte. Elektrischer Strom gab es in Heiligenwald erst ab 1921.
Die kommunale Verwaltung des neuen Ortes, der seit 1873 offiziell Heiligenwald hieß, gestaltete sich denkbar schwierig, da er teilweise sowohl auf Ländereien der Muttergemeinden Schiffweiler als auch Landsweiler lag und die Grubenanlage Itzenplitz zur Gemeinde Wemmetsweiler gehörte. Diese „Zerrissenheit“ nahmen seit den 1860er Jahren immer wieder „Bürgerbewegungen“, von Grubenbeamten und einheimischen Geschäftsleuten ins Leben gerufen, zum Anlass, die kommunale Selbständigkeit durch Trennung von den Besitzgemeinden zu fordern, was bei den Bewohner der Muttergemeinden allerdings stets auf Ablehnung stieß. Der überwiegende katholische Teil der Bergmannsansiedlung unterstützte diese Bemühungen durch die Forderung nach Lostrennung der Ansiedlung Kleinheiligenwald von den Pfarreien Schiffweiler und Landsweiler. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, erbauten sie mit Hilfe von Eigenmitteln 1888 eine kleine 12x2o m große Kapelle in der Itzenplitzstraße. Die evangelischen Christen waren bereits 1868 durch das großzügige Geschenk der preußischen Bergbehörde in den Besitz eines Bethauses gekommen. Im Jahr 1903 führte das Anliegen der Katholiken zum Erfolg: Die Kirchengemeinde wurde zur Pfarrei erhoben und damit selbständig.
Erst 1921 gelang es, die kommunale Selbständigkeit zu erlangen. Im Amtsblatt Mai 1921 hieß es hierzu: „Die Ortsteile „Heiligenwald“ der Gemeinde Schiffweiler, Landsweiler und Wemmetsweiler werden von diesen Gemeinden abgetrennt und zu einer neuen, selbständigen Gemeinde Heiligenwald verbunden.“ Erster Bürgermeister wurde Peter Kiefer.
Neben der Verbesserung der desolaten Innerortsstruktur stand die Erschließung von Siedlungsgebieten an oberster Stelle der Agenda. Im Jahr 1931 konnte in Zusammenarbeit mit dem „Wohnungbauverband des Saargebietes“ die erste Siedlungsmaßnahme der neuen Gemeinde „Auf Steinseiters“ fertiggestellt werden.
Ein wichtiger Meilenstein für die Verkehrsanbindung der neuen Gemeinde an die Stadt Neunkirchen war der Bau der Straßenbahnlinie zum Sachsenkreuz in Heiligenwald, die 1931 eröffnet wurde.
Die 1938 begonnene Siedlung der „Heimstätten Siedlungsgesellschaft“ zwischen oberer Karl- und Kaiserstraße musste zu Beginn des Zweiten Weltkrieges unterbrochen werden.
Der 2. Weltkrieg forderte 273 Wehrmachts- und Volkssturmangehörige. Bei Luftangriffen auf Neunkirchen, Saarbrücken und St.Wendel starben 8 Frauen, Männer und Kinder aus Heiligenwald.
TafelbrunnenZu Beginn der 1950er Jahre begann die Erschließung neuer Siedlungsbereiche am Sachsenkreuz, Hangweg, Hinter dem Sportplatz, auf der „Langen Gewann“ und entlang der Schiffweiler Straße, auf denen mehrere Siedlungsprojekte durch Eigeninitiative bauwilliger Bürger unter dem Dach von Bau-Hilfsvereinen (Kettelerverein, Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft, BIG-Bauinteressengemeinschaft der Bergleute Heiligenwald/Landsweiler oder privat) fertiggestellt wurden. Im oberen Klinkenthal kamen nach dem Krieg zahlreiche Flüchtlingsfamilien aus Schlesien in umgebauten Ökonomiegebäuden unter.
Bis zum Ende der 1950er Jahre war die Einwohnerzahl bereits auf mehr als 5000, vorwiegend Bergmannsfamilien und Beschäftigte im Bergbau, oder mit dem Bergbau verbundenen Berufszweigen, angewachsen.
Nach dem Ende der Kohlenzeit konnten mehrere der entstehenden Industriebrachen, zum Beispiel die ehemalige Ökonomie Klinkental, der früherer Holzplatz und ein Absinkweiher für die Erschließung eines Gewerbeparks und ein weiterer Absinkweiher für den Bau einer Tennissportanlage umgenutzt werden.
Im Jahr 1974 wurden durch das Gesetz zur Verwaltungs- und Gebietsreform die ehemals selbständigen Gemeinden Heiligenwald zusammen mit Landsweiler-Reden, Schiffweiler und Stennweiler in einem Verwaltungsverbund zur Reformgemeinde Schiffweiler vereinigt.
Als besondere, identitätsstiftendende Kulturgüter des Ortes gelten neben den beiden Kirchen, dem in Sandstein errichteten evangelischen „Betsaal“ im neoromanischen Baustil und dem Backsteinbau der, mit expressionistischen Formen bereicherten katholischen Laurentiuskirche, das historische Itzenplitzer Weiher mit Pumpenhäuschen„Sachsenkreuz“, die Schächte mit den Maschinenhäusern, die Schaltanlage, Zechenhaus und Waschkaue und weitere noch mäßig erhaltene Industriegebäude der ehemaligen Grube Itzenplitz, der Itzenplitzer Weiher mit dem historischen Pumpenhaus sowie noch einige wenige Bergmanns-Prämienhäuser im Original aus der 1. und 2. Bauphase im Ortsbereich.
Der Name Heiligenwald leitet sich wahrscheinlich aus dem mundartlich von Haldenwald verballhornten Begriff Hälljewald (eine kleine Halde ist in hiesigem Dialekt ein „Hällje“) und der anschließenden „Verhochdeutschung“ zu Heiligenwald ab.
Horst Wilhelm